Death or glory bound
Fiona Crestani
Vernissage 23.06.2010, 19 Uhr
Ausstellung 24.06. – 23. 07.2010
„death or glory bound“ wird eine Großplastik. Ich will eine Spannungsvolle,klare, von einer Welle inspirierte Arbeit schaffen. Etwas Besonderes fürdiesen Raum. Eine Herausforderung für mich.Fiona Crestani studiert Bildhauerei, Textiles Gestalten und Werkerziehung.
Eröffnungsrede von Prof. Ruedi Arnold
Beim Entwerfen dieser Plastik hat Fiona Crestani davon gesprochen, dass sie „etwas Großes, Raumgreifendes, ihre Grenzen Auslotendes“ herstellen möchte.
Geworden ist es – weil man kein „Etwas“ schaffen kann, welches ausschließlich nicht Nichts (und auch nichts Anderes) ist, weil alles, was man herstellt etwas Bestimmtes wird, eine Welle. Eine große, raumgreifende, an die Grenzen des für sie Machbaren rührende Welle. Seit dem 26. Dezember 2004 haben wir für das, woran sie erinnert, einen Namen: Tsunami. Mit einem Fliegenschiss hätten sich gleiche Dimensionen schlecht realisieren lassen; man kann nicht leise laut oder klein groß sein. Für die sich überschlagende Welle jedoch, lässt sich sogar ein Zeichen gestalten, welches deren Kräfte enthält und vorführt. Das macht dann auch seine Verwendung als Metapher, d.h. als Bild für eine Bedeutung, die nicht abgebildet werden kann, aber evoziert wird, möglich.
Die sich überschlagende Welle appelliert an die Vorstellung einer Naturgewalt, die nicht unmittelbar und final zuschlägt, sondern ihre Opfer in einen Überlebenskampf verstrickt. In diesem liegt auch die Herausforderung, sich die eigene Kraft und Geschicklichkeit zu bestätigen.
Fiona Crestani realisiert eine Metapher für den Überlebenskampf in einer Weise, die an die Grenzen des für sie Machbaren rührt. Sie erhöht deren Redundanz, indem sie ihren Gehalt auch dem taktilen Begreifen, dem Raum-empfinden und dem Körpergefühl erfahrbar macht. Die Formulierung des Zeichens wird zur Herausforderung für die eigene Kraft und Geschicklichkeit. Das Gelingen zur Selbstbestätigung.
In ehemaligen Oststaaten habe ich noch in den 70er Jahren sogenannte „bewachte Bahnübergänge“ gesehen. In einem Kabäuschen neben Gleis und Strasse wartete ein Bahnwärter das Herannahen der Züge ab, um dann seine Mütze aufzusetzen, den Schranken herunterzukurbeln und den vorbeifah-renden Zug mit einem Wimpel zu salutieren. Ich gestehe, dass mir gelegent-lich der Gedanke durch den Kopf ging: Bahnwärter müsste man sein und bei geregelter Arbeitszeit und fixem Lohn genau wissen, was in welcher Weise zu tun ist.
Dass man sich als Kunstschaffender solche Geruhsamkeit versagt, hat nicht nur (aber gewiss auch) mit Selbstbestätigung zu tun. Dass schlichtweg alles zum Gegenstand von Kunst gemacht werden kann, dass man sich mit der Legitimation, dies „von Berufs wegen“ zu tun, mit allem und jedem wofür man sich interessiert, auseinandersetzen darf, gehört zu den angenehmen Seiten des Metiers. Dass diese Auseinandersetzung aber immer eine Stellungnahme einschließen muss, die bei der gebotenen sachlichen Richtigkeit unver-wechselbar persönlich sein soll, ist eher unbequem. Oft mühsam, und dann stellt sich die Frage, weshalb man sich solches antut.
Den abgegriffenen Vergleich mit dem Bergsteigen will ich benutzen, um zu zeigen, dass das Klischee nicht stimmt: Sicher redet man sich am Gipfel ein, dass die Rundsicht die Mühen des Aufstiegs lohnt. Aber hätte man im obern Drittel des Weges denn umgedreht, wenn die Sicht (ohne die eigene Sicherheit zu gefährden) schlechter geworden wäre? Kaum, denn man wollte sich ja bestätigen, „es geschafft zu haben“. Die Geschicklichkeit, Ausdauer und Kraft aufgebracht zu haben.
Sich selber gelegentlich etwas Gutes tun, indem man eine Gelegenheit herbeiführt, um stolz auf eine eigene Leistung zu sein – daran ist sicher nichts Schlechtes. Es gibt Sportler – und auch Künstler – die auf Grund außergewöhnlicher Leistungen bekannt, berühmt und Spitzenverdiener werden. Natürlich möchten das alle, aber sicher ist dies nicht die eigentliche Triebfeder für die Vielen, die sich trotz mangelnder Anerkennung und finanzieller Erfolglosigkeit ein Leben lang immer wieder selber herausfordern.
Ich weiß, dass ich ein schlechter Schrankenwärter wäre. Ich würde mich langweilen, mich aus meinem Kabäuschen hinausträumen und dieweil die Züge unbemerkt durchfahren lassen.
Der Kunstschaffende kann seinen Arbeitsalltag weitgehend selber gestalten. Er darf auch seine Träume in diesen einbringen – die schönen und die schrecklichen. Franz Kafka meinte, es sei „unleugbar ein gewisses Glück, ruhig hinschreiben zu dürfen: ‚ „Ersticken ist unausdenkbar fürchterlich’ “.
Auch Ertrinken wäre „unausdenkbar fürchterlich“.
Ob es schon ein Glück wäre, diesen Umstand isoliert und folgenlos hinschreiben zu dürfen? Glück stellt sich doch stets nur vor dem Hintergrund eines Zustands ein, in dem jene Indegrienzien, welche das Glück konstituieren, fehlen. Weil sich Glück und Unglück bedingen, hat Fiona Crestani für die Aussage eine Form gesucht, deren Realisierung an die Grenzen des für sie Machbaren rührt, um sich am Bewältigen dieser Aufgabe ihre Kraft und Geschicklichkeit zu bestätigen und um in dieser Selbstbestätigung „unleugbar ein gewisses Glück“ zu empfinden.
13.05.2010
Ruedi Arnold




